Shalom aus Israel

Auf in die weite Welt

Ich heiße Anna Merkord, bin 18 Jahre alt und mache gerade mein Abitur.

Im September möchte ich für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Israel gehen, um mich dort in zwei Projekten zu engagieren. Zum einen werde ich in einem Altenheim mit Seniorinnen und Senioren, die den Holocaust überlebt haben, ins Gespräch kommen, mit ihnen spazieren gehen, Spieleabende für sie organisieren und ihnen beim Umgang mit Handy und Laptop helfen.

Zum anderen werde ich in einer ehrenamtlich geführten Klinik für Geflüchtete und Obdachlose arbeiten. Meine Entsendeorganisation ist Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF).

Der Verein steht in der Tradition der Bekennenden Kirche und organisiert seit 1958 internationale Friedensdienste – mit dem Ziel, für das Leid, das Menschen durch den Nationalsozialismus erfahren haben, zu sühnen, der Diskriminierung von Minderheiten entgegenzutreten und sich für Frieden einzusetzen. Die Unruhen, die gerade noch in Israel tobten, verunsichern mich natürlich. Den anderen Freiwilligen, mit denen ich meinen Dienst in Israel leisten möchte, geht es genauso. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ASF beobachten die Lage dort genau und halten uns mit Informationen auf dem Laufenden.

Wir alle hoffen, dass sich die Situation bald weiter beruhigt. Mein Freiwilligendienst inklusive mehrerer Seminare wird zum größten Teil vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend finanziert. Den kleineren Teil übernimmt ASF. Als gemeinnütziger Verein ist ASF auf Spenden angewiesen.

Darum würde ich mich sehr freuen, wenn Sie als Pate oder Patin meines Freiwilligendienstes ASF mit einer Spende unterstützen könnten. Infos zur Patenschaft finden Sie im Internet auf https://bit.ly/2R8IHSa (= gekürzter Internet-Link zur Patenschaftsseite von ASF).

Gern können Sie mich auch direkt ansprechen (0157 55834417).

Herzlichen Dank!

Ihre Anna Merkord

Shalom aus Israel!

Hallo ihr Lieben, seit dem 10.9.2021 sind meine 20 Mitfreiwilligen und ich in Israel angekommen. Momentan sind wir im ASF-Gästehaus Beit Ben-Yehuda (Jerusalem) in Quarantäne. Nach einer langen Anreise mit vielen Kontrollen, Tests und sehr wenig Schlaf tut das tatsächlich sehr gut. Außerdem habe ich meine Mitfreiwilligen das erste Mal getroffen. Nach vielen Kennlernspielen, einem langen Shabbat Abend am Freitag und viel Hebräischunterricht, fühlen sich die zwei Tage an wie eine Woche. Im positiven Sinne: wir kennen uns alle mittlerweile ziemlich gut und haben viel Spaß. Neben dem Hebräischunterricht sind unterschiedliche Vorträge und Diskussionen Bestandteil des Seminars, das wir hier machen bis wir dann am 29.9. in unsere WGs abreisen. Dann beginnt unsere Mithilfe in unseren Projekten, meine Projekte sind in TelAviv. Darauf bin ich schön sehr sehr gespannt. Ich habe tatsächlich meine beiden Projekte gewechselt. Die Klinik und das Altenheim haben auf Grund von Corona leider abgesagt. ASF hat für mich frühzeitig zwei Alternativprojekte gefunden: 1. „Kantor Center (for the Study of Contemporary European Jewry)“. Das Projekt ist an der Universität TelAviv. 2. „The Orchard of Abraham's children“ oder „Bustan Bnei Avraham“. Das ist ein hebräisch-arabisches Ganztagsprojekt. Viele Grüße aus Israel, Anna 

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Shalom aus Tel Aviv

Endlich in der WG angekommen! Wie angekündigt haben sich meine 3 Mitbewohnerinnen, Theresa, Laila, Hannah, und ich am 29.9. auf den Weg nach Tel Aviv in unser neues Zuhause gemacht. Zugegeben, die ersten Tage waren sehr stressig und anstrengend: Alles auspacken, Waschen, Putzen, Einkaufen (ohne irgendwas lesen zu können oder die Preise zu kennen), … und dann diese schwüle Hitze.

Gelohnt hat es sich aber, denn mittlerweile haben wir einen guten Rhythmus für unseren Alltag gefunden. Ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen organisatorischen Dingen, der Arbeit, Tel Aviv zu erkunden und das Wetter für ein bisschen Entspannung am Meer zu nutzen, war gar nicht so leicht. Mit organisatorischen Dingen meine ich: eine Rav Kav zu beantragen, mein Visum zu verlängern, den Greenpass und die 3. Impfung zu bekommen und ein Konto zu errichten. Eine Rav Kav ist eine Karte wie eine Bankkarte, die man zwangsläufig braucht, um Bus und Bahn zu fahren. Das macht alles sehr viel leichter, denn beim Aus- und Einsteigen muss man die Karte nur kurz vor einen Scanner halten. Es ist tatsächlich gerade nicht so leicht an eine ran zu kommen.

Meine Arbeit habe ich im Bustan Bnei Avraham begonnen. Der Kindergarten legt viel Wert darauf, die Kinder zu viel Selbstständigkeit zu erziehen, deshalb helfen die Kinder schon von klein auf beim Kochen, Aufräumen, Stühle reparieren und Gärtnern. Ich durfte für die Kinder eine Holzwerkstatt einrichten, damit die Kinder gemeinsam mit mir ihre eigenen Spielzeuge bauen können. Da das Einrichten etwas Zeit gebraucht hat, war heute der 1. Tag, an dem wir gemeinsam getischlert haben. Das hat super funktioniert und die Kinder hatten viel Spaß!

Eine große Herausforderung für mich ist die Sprachbarriere. Bis auf meine Chefin und ein paar wenige Menschen im Kindergarten, kann niemand mit mir Englisch sprechen. Auch wenn es sehr viel Zeit und Nerven braucht, freue ich mich aber darüber gezwungen zu sein, weiter Hebräisch und Arabisch lernen zu müssen.

In meinem 2. Projekt, dem Kantor Center an der Uni Tel Aviv, habe ich erst einen Tag verbracht. Gestern habe ich wie viele andere Student:innen meine ersten Runden über den Campus gezogen. Nach zwei Jahren kein Präsenzunterricht, war der Campus sehr sehr voll (alle müssen geimpft sein), das war ganz schön aufregend. Außerdem ist der Campus riesig und wunderschön.

Es gibt viele Möglichkeiten Pausen in der Sonne oder im Schatten der Palmen auf zu machen und die vielen Bibliotheken bieten sich an, um gemeinsam zu lernen.

Ich freue mich über beide Projekte sehr und bin ungeduldig beide Bereiche so richtig kennenzulernen. Abgesehen von der Arbeit, kann ich meine Freizeit hier richtig schön verbringen. Jaffa, dort wo ich wohne, ist sehr schön: nah am Strand, nicht weit von der Innenstadt, hat Outside Gyms, einen Markt, eine Altstadt, einen Hafen und viele nette Bars und Restaurants mit Life Musik. Deshalb sind uns dieses Wochenende auch schon Freundinnen aus Jerusalem besuchen gekommen.

Wir haben dann sehr lecker gekocht und gemeinsam Shabbat gefeiert. Das war für mich ein bisschen komisch: der erste Shabbat ohne Karmiel, der uns während des Seminars begleitet hatte. Von ihm haben wir viel über die Traditionen gelernt und vor allem haben wir viel mit ihm am Shabbat gesungen, das vermisse ich.

Viele Grüße aus Tel Aviv, Anna

P.S.: Wir haben auch einen Instagram Account, den wir regelmäßig bespielen. Schalom_Telaviv

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Hallo Ihr Lieben,

ich melde mich mal wieder aus Tel Aviv :) 

Nachdem ich im letzten Update von den ersten Besucher:innen in Tel Aviv berichtet habe, pendeln wir jetzt eigentlich jedes Wochenende und manchmal auch über die Woche zwischen den WGs hin und her. Das war erst sehr stressig, aber mittlerweile ist es recht entspannt. Das liegt vor allem daran, dass die Arbeit nicht mehr so aufregend und anstrengend ist: ich kenne die Leute, die Namen der Kinder im Bustan Bnei Avraham, den Campus und weiß wohin mit mir in der Mittagspause. Viele Dinge haben sich eingespielt und ich bin im Alltag deutlich gelassener. 

Im Kindergarten arbeite ich momentan viel mehr mit den Kindern als gedacht. Ich helfe in der Gruppe Fistuk (= Pistazie) aus :) Erstmal war ich überfordert: ich kannte die Namen nicht, habe kaum verstanden was die Erzieherinnen sagen und konnte den Kindern nicht sagen was sie tuen und was sie lassen sollen. Wie gesagt, die Namen habe ich jetzt drauf und auch ein paar wichtige Wörter und Phrasen: Dai (Stop), Bo(i) (komm), Schnia (Warte), la Schevet (setzten), kula kuwot (gut gemacht), Beva kascha (Bitteschön) 

Ich genieße die Zeit in der Gruppe sehr, da ich viel mehr Kontakt zu den Kindern und zu den Erzieherinnen habe und auch den Alltag besser miterlebe als wenn ich die Holzwerkstatt betreibe. Deshalb habe ich mich mit meiner Chefin, Ora, abgesprochen: Vormittags bastel ich mit den Kindern aus verschiedenen Gruppen in der Werkstatt, nachmittags verbringe ich dann die Zeit in einer Gruppe.

In dem Projekt an der Uni, dem Kantor Center, lese ich gerade viel zum Thema Antisemitismus. Ich bin sehr frei darin wie ich das mache, weil es erstmal wichtig ist, dass ich einen ungefähren Überblick bekomme. Regelmäßig bekomme ich Fragestellungen und Input von meiner Chefin, Sarah, zu denen ich mich informieren soll. Während meiner Recherche lerne ich super viel und merke immer und immer wieder deutlich, dass der Nahostkonflikt sehr sehr komplex ist. In der Theorie war mir das auch vorher schon klar, aber immer wieder zu merken wie sich Themenbereiche eröffnen, an die ich im Leben nicht gedacht hätte, ist einfach: WOW. Und dann im gleichen Zuge, jedes Mal, wenn ich denke ,,so jetzt hab ich’s aber, jetzt hab ich einen Überblick“ zu merken, dass ich den wohl doch nicht habe. Auch wenn ich oft das Gefühl habe, ich schwimme ziellos in einem Meer voll Informationen, die ich garnicht alle aufsaugen kann, genieße ich diese Möglichkeit sehr. Die Möglichkeit einen PC, die Zeit 2x die Woche und eine Ansprechpartnerin, die Ahnung hat und dann auch noch deutsch sprechen kann, zu haben. 

So das war’s zu meinen Projekten. Wie schon am Anfang dieser Mail angedeutet, unternehmen meine Mitfreiwilligen und ich an den Wochenenden viel. Dazu schreibe ich dann wann anders :) 

Liebe Grüße und bleibt gesund, 
Anna
 

P.S. Leider habe ich kaum Bilder von der Arbeit. Das liegt daran, dass ich von den Kindern nicht einfach Bilder machen darf. Außerdem gibt es meistens auch alle Hände voll zu tun. In der Uni sitze ich am Schreibtisch - nicht so spannend. Ich sende euch aber mal zwei Werke, die die Kinder fast ganz alleine gebaut haben.

Shalom Shabbat ihr Lieben,

wie versprochen, berichte ich hier nochmal von meiner Freizeit. Mittlerweile sind ja viele Wochenenden vergangen. Das Erste, was wir gemacht haben, war der Besuch untereinander. Zumindest haben wir das versucht. Bis jetzt habe ich leider nur die Guatemala WG besuchen können. Das ist die 6er WG in der Guatemala Street in Jerusalem. Die nächsten Wochenenden möchte meine WG und ich aber auch noch nach Haifa, Nahariya und nach Afula.

Meinen Besuch in Jerusalem habe ich genutzt, um mit Kati (aus der Guatemala WG in Jerusalem) zum Yad Vashem auf den Herzlbeg zu gehen. Der Berg mit den unterschiedlichen Gedenkstätten und seiner Architektur ist beeindruckend. Das Museum zeigt zusätzlich zu unserem deutschen Geschichtsunterricht noch eine weitere Perspektive auf die Schoah. Besonders neu für uns war die jüdische Geschichte nach dem Holocaust.

Für viele Überlebende gab es kein Zuhause mehr, keine Rückkehr ins eigene Haus oder zu der eigenen Familie. Die Heimkehr dorthin wo der Kampf gegen das eigene jüdische Leben begonnen hat, kam für viele nicht in Frage. Hinzukommt die psychische Belastung. Außerdem war der bzw. ist der Antisemitismus durch das Besiegen der Nazis auch nicht überwunden. In Polen zum Beispiel, dort wo die meisten europäischen Juden und Jüdinnen vor dem Holocaust lebten, gab es nach der Befreiung mehr Anitsemitismus als zuvor. Den Vorwürfen ,,sie hätten das mit sich machen lassen, warum haben sie sich nicht rechtzeitig gewehrt, kann man ihnen so Etwas schreckliches überhaupt glauben?“ waren die Überlebenden aber auch in Israel ausgesetzt. Das änderte sich erst grundlegend, als der Eichmann-Prozess geführt wurde. All das ist prägender für die Israelische Identität als ich gedacht habe.

Am Wochenende nach unserem kleinen Bildungsausflug sind wir zu zehnt zum Toten Meer gefahren. Dafür haben wir zwei Autos gemietet und uns in das Verkehrschaos Israels gestürzt. Gelohnt hat es sich: Wir waren am ersten Tag in dem beeindruckenden Nationalpark Ein Gedi und im Toten Meer schwimmen. Ich würde einen Roman schreiben, wenn ich über Ein Gedi berichten wollte. Eins kann ich sagen: Wunder-wunderschön. Dann haben wir bei Nacht einen Wüstenroadtrip gemacht. Dabei sind wir auf ein Pfadfinder-Camp mit 200 Kindern MITTEN IN DER WÜSTE getroffen. Die Nacht haben wir in der Nähe vom Massada unter freiem Himmel - unter den Sternen und dem Vollmond - auf dünnen Matten verbracht, um dann am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang auf den 450 Meter hohen Massada zu klettern. Die Geschichte zu dem Ort finde ich sehr interessant:

Massada war die letzte Zufluchtsstätte jüdischer Freiheitskämpfer gegen die römische Armee, symbolisiert den gewaltsamen Untergang Judäas am Ende der Zeit des Zweiten Tempels. Auf dem Fels Massada befindet sich heute die Ruine des Burgpalastes von dem jüdischen König Herodes. Als die Römer dabei waren den Palast einzunehmen und die Juden zum Christentum bekehren wollten, haben die Juden erst ihre Kinder und dann sich selbst umgebracht. Die Römer haben dafür, ich glaube, länger als ein Jahr an einer Rampe gebaut, über die die Legionen den Palast erreichen sollten. Anders währen sie nur im Entenmarsch hoch gekommen - da hätten sie sich sehr angreifbar gemacht.

Die darauffolgenden Wochenenden haben wir Halloween gefeiert, mit der Beit Lehem WG aus Jerusalem den wunderschönen Herzliya Beach im Norden von Tel Aviv besucht, Fahrräder aufgetrieben, die Haifa WG zu Besuch gehabt und Trips und Weihnachten geplant.

Dann waren wir zu einer Holocaust Gedenkfeier, die jährlich an der Universität Tel Aviv stattfindet, eingeladen. Sie war im gleichen Gebäude, in dem auch das Museum of the Jewish People ist. Da sind wir dann natürlich auch reingegangen. Ich war mal wieder baff wieviel ich nicht weiß. Vielleicht komme ich mal dazu, ein paar Gedanken zu dem Museum und zu meiner Arbeit im Kantor Center, die viel an den Museumsbesuch anknüpft, aufzuschreiben. Die Themen sind so komplex und schwierig, um sie so runter zu schreiben. Dafür ist dann wahrscheinlich der erste meiner offiziellen Projektberichte, der am 15. Dezember kommt, ganz gut.

Letztes Wochenende haben wir Ramallah, eine größere Stadt in der Westbank, besucht. Wir haben einige Leute getroffen, die uns willkommen geheißen und uns die schönsten Ecken Ramallahs gezeigt haben. Wir haben uns auch mit Dar Zahar, der das Palestinian Heritage Museum gegründet hat, getroffen. Wir saßen 3 Stunden in der alten Stube des aus 1300 stammenden Familienhauses. Dar Zahar hat viel von der Welt gesehen und zeitweise auch mit zdf Deutschland gearbeitet. Er hat uns Tee und Kekse angeboten und wollte mit uns ins Gespräch kommen. Ein Gespräch über alle kleinen und großen Themen, die die Palästinener:innen so bewegen. Da geht es einmal natürlich um die Geschichte des ehemaligen Palästinas, um den Konflikt mit Israel und den Einfluss Israels auf die Westbank, aber auch um Umweltprobleme, den Umgang mit dem knappen fruchtbaren Land, um das Wasser vom Jordan und den sinkenden Meeresspiegels des Toten Meeres, um Religion und welche Rolle sie überhaupt spielt bzw. spielen sollte und um Kultur, warum Kultur und die eigene (Familien)Geschichte wichtig sind, viel über Identität, Nächstenliebe und Hass.

Nachdem ich jetzt viel über den Konflikt und the Land of Israel aus der Israelischen Perspektive gelernt habe, war das Gespräch total gut, um einmal die andere Seite kennenzulernen. Auch um gedanklich einen Schritt zurückzugehen und sich in keiner Sichtweise festzufahren. Ich bin mir bei manchen Sachen sicher, dass ich sie bestimmt Menschen nicht fragen sollte, bei anderen Dingen bin ich mir unsicher, ich denke das ist normal. Bei Dar Zahar konnten wir alles fragen. Die Atmosphäre war so gut, weil es sich so angefühlt hat, als wäre der Konflikt weit weit weg und als könne man nüchtern auf die Dinge drauf schauen. Eine andere Sache, die mir stark aufgefallen ist, ist wie privilegiert ich bin. Auf der palästinensischen Seite bin ich keine Israelin und auf der israelischen Seite bin ich keine Palästinenserin - ich bin jemand, die beide Seiten überzeugen wollen bzw. der beide Seiten zeigen wollen, wer sie sind und welche Geschichten sie zu erzählen haben.

“The single story creates stereotypes, and the problem with stereotypes is not that they are untrue, but that they are incomplete. They make one story become the only one.”

- Chimamanda Ngozi Adichi - 

“The single story creates stereotypes, and the problem with stereotypes is not that they are untrue, but that they are incomplete. They make one story become the only one.”

- Chimamanda Ngozi Adichi - 

Daran habe ich mal wieder denken müssen, als ich gemerkt habe, dass Ramallah eine Student:innenstadt ist. Warum sollte sie das auch nicht sein? Ja, keine Ahnung, habe ich vorher auch nicht drüber nachgedacht.

Das ist jetzt erstmal der letzte Gedanke, den ich hier fasse. Bald kommt bestimmt noch mehr über unser Seminar, das wir über Weihnachten hatten, und über Silvester in Tel Aviv und die erste (und hoffentlich auch letzte) Bombe, die ich hier miterlebt habe.

Liebe Grüße aus dem sonnigen (heute mal) Jerusalem,

Anna

 

Kampf um Impfungen und vieles mehr ….

Shalom, 

ich hoffe, es geht Euch gut. Mir geht es tatsächlich in letzter Zeit gesundheitlich nicht so gut. Meine Mitbewohnerinnen und ich schleppen immer Mal wieder unterschiedliche Krankheiten in die WG. Bis vor einer Woche war die Coronssituation in meinem Umfeld recht entspannt, jetzt ist sie sehr angespannt – ein Paar von den ASF-Freiwilligen hat es getroffen. Zum Glück quält meine WG nur Grippe, Mandelentzündung und Bindehautentzündung, aber schön ist das auch nicht, besonders für meine Zeit im Kindergarten. Da war ich in letzter Zeit leider echt wenig. Okay, genug von den eher unschönen Nachrichten, denn einen Vorteil hat es auch – ich kann die große Lücke meiner Updates füllen. 

Geendet hatte ich mit dem ersten Besuch in Ramallah, heute geht’s dann weiter mit Theresas (meine Mitbewohnerin) und meinem Kampf um die Impfungen. Ups, wieder das Thema. Verbunden haben wir unsere schönen Ausflüge zu unterschiedlichsten Impfangeboten mit Beuschen der anderen WGs und Plätzchen backen. Bei den Impfversuchen gab es einge Komplikationen:

1. Mal: Nach langem Anstehen gab es keine Impfdosen mehr,
2. Mal: Leider beim falschen Impfzentrum gelandet, Impfungen nur für israelische Staatsbürger:innen,
3. Mal: Impfzentrum leider nicht offen,
4. Mal: endlich geschafft… nur die Bescheinigung hat uns gefehlt, an die sind wir Wochen später aber auch gekommen.

Im Anschluss an dieses Erfogserlebnis sind wir zu unserem Landesbeauftragten, Guy, nach Hause gefahren und haben mit den anderen Freiwilligen Plätzchen gebacken. Es war sehr schön alle wiederzusehen und sich gemeinsam auf Weihnachten einzustimmen. Denn das war vorher gar nicht richtig möglich. Hier feiern ja kaum Leute Weihnachten und das Wetter hat sich auch nicht danach angefühlt.

Am nächsten Nachmittag saßen Theresa, Kati und ich am Damaskus Tor in Jerusalem und haben mitbekommen wie es zu Ausschreitungen zwischen Palestinenser:innen und israelischem Militär kam. Ich versuche die Stimmung mal zu beschreiben: Viele Leute sitzen auf den Treppen im Sonnenschein und genießen gemeinsam den letzten Wochenendtag, viele Menschen überqueren natürlich auch den kleinen Platz, das israelische Militär hat 3 kleine Stützpunkte im Dreieck auf dem Platz verteilt und ist mit vielen bewaffneten Soldat:innen ausgestattet.

Aus dieser alltäglichen und entspannten Atmosphäre wird innerhalb von ein Paar Sekunden eine hektische und aufgeregte Stimmung. Ein Palästinenser und ein Soldat, der fast alleine an dem einen Stützpunkt war, pöbeln sich an. Auf beiden Seiten bekommen die beiden Männer Unterstützung. Während viele passierende und dort sitzende Männer anfangen zu filmen und mit in die Traube der bereits pöbelnden Menschen einsteigen, verlassen Frauen und Kinder direkt den Ort – wir gehen auch und beobachten aus der Ferne: ein, zwei Menschen wurden festgenommen, mit Gewalt und ohne, keine:r ist zu Schaden gekommen. Bewerten kann ich das Ganze nicht, trotzdem war es interessant so einen Vorfall, wie er häufiger passiert und von dem ich auch schon viel gehört habe, mal mitzubekommen. 
 

28. November bis 6. Dezember – Chanukka 

Am jüdischen Lichterfest, Chanukka, wird die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 165 vor der christlichen Zeitrechnung gefeiert. Damals hatte es einen Aufstand der Makkabäer gegeben, der sich gegen hellenisierte Juden und makedonische Seleukiden richtete. Mit dem Sieg der Makkabäer wurde der jüdische Tempeldienst wiedereingeführt.

Vorher war es für die Juden verboten gewesen, religiöse Gebote zu befolgen oder die Thora zu lernen. Der Überlieferung nach war in dem Tempel nur noch geweihtes Öl für einen Tag zu finden. Um neues geweihtes Öl herzustellen, brauchte es aber acht Tage. Trotzdem entschied man sich, den siebenarmige Leuchter, die Menora, zu entzünden – und er brannte ganze acht Tage lang. An das Öl-Wunder erinnert der traditionelle achtarmige Leuchter Chanukkia.

Während der acht Tage von Chanukka werden jeweils nach Sonnenuntergang von links nach rechts acht Kerzen angezündet. Entzündet werden sie mit einer Extra-Kerze, genannt Diener, die in der Mitte steht. Die Lichter müssen jede Nacht mindestens eine halbe Stunde lang brennen. Dabei werden Lobpsalmen gesprochen und in den Synagogen besondere Abschnitte aus der Thora gelesen. Chanukka ist ein Familienfest. Bräuche, die in der Diaspora verbreitet sind, wie das Verteilen von Geschenken oder das Drehen des Kreisels, sind auch in Israel anzutreffen. Außerdem ist es üblich, in Öl gebratene Speisen zu essen: Latkes (Kartoffelpfannkuchen) und Sufganiot (Berliner/Krapfen).

Schulen und Kindergärten sind für ein paar Tage geschlossen. Bevor der Bustan Bnei Avraham geschlossen hatte, gab es einen Laternenumzug. Außerdem waren die Straßen überall geschmückt und jede Nacht wurden auf der Straße große Chanukkia angezündet. Ich sende euch ein paar Bilder, die meine Kollegin, Maya, gemacht hat. Schon Wochen zuvor haben wir im Kindergarten Lieder gesungen, die die Geschichte von Channuka erzählen, und Kreisel gedreht. Da waren die Kinder immer total aufgeregt. Ich verstehe ja immer eher wenig, aber wie eine Erzieherin singt und dabei imaginäre Sufganiot in ihrer Hand formt, um dann nach der Reihe jedem Kind einen zu geben, habe ich verstanden. Die Kinder haben dann geduldig gewartet, bis jede:r hatte und dann haben sie weiter besungen wie sie die imaginären Sufganiot essen. Insgesamt habe ich die Zeit ein bisschen so wahrgenommen wie die Weihnachtszeit bei uns: besinnlich, festlich und alles voller Lieber.

An meinen freien Tagen bin ich mit Kati nach Akko gefahren. Akko hat eine sehr lange, interessante und weltgeschichtlich bedeutende Geschichte, trotzdem schreibe ich hier jetzt nicht mehr drüber, weil Kati und ich es leider verpeilt haben, den Museumsrundgang zu machen. Deshalb fahren wir auf jeden Fall nochmal in den Norden. Ich sende Euch aber ein Video von dem Meer bei stürmischem Wetter und der Moschee, die wir besucht haben. Der Ausflug war trotz des mangelnden Museumsbesuch sehr lohnenswert. Besonders als wir dann abends von einem älteren Herrn zu sich nach Hause eingeladen wurden. So naiv und neugierig wie wir sind, sind wir mitgegangen. Das Gespräch war ein bisschen komisch: er sei schon öfters in DE gewesen und hätte dort eine Villa in München und Mrs Bayern war seine Freundin, jetzt betreibt er eine kleine Schneiderei und ist Hafenmeister in Akko … naja, davon abgesehen hat er uns auch von seiner Zeit im israelischen Militär erzählt. Er ist Palästinenser, hat aber mit den Zionisten den Staat Israel aufgebaut, über die Seefahrt ist er viel in der Welt rumgekommen. Auch wenn ich Vieles von dem, was er gesagt hat, nicht einordnen kann, war das eine sehr interessante und auch irgendwie lustige Begegnung.

Von Akko sind wir dann zu unseren Mitfreiwilligen, Aaron und Naila, nach Naharija gefahren. Naharija ist ein kleiner Ort am Meer, im Norden und inder Nähe von Haifa. Zusammen haben wir ein entspanntes Wochenende mit nachts im Meer Baden (sehr kalt, aber auch lustig), Kochen und Ausgehen verbracht. Außerdem sind wir auch nach RoshaNikra getrempt. RoshaNikra ist ein großer Fels auf der Grenze zum Libanon. Irgendein ein biblischer Brief wurde in den Grotten des Felsens geschrieben, welcher weiß ich leider nicht mehr. Weiß das vielleicht jemand von Euch? Eindrucksvoll war es auf jeden Fall, in den Hölen zu stehen die Wellen kraftvollen reinscheppern zu sehen und zu hören. Wie gerade gesagt, sind wir ja getrempt und haben das jetzt auch absolut für uns entdeckt. Bei dem Rocha Nikra Trip sind wir bei 4 unterschiedlichen Männern mitgefahren, das war komisch, Mal sehr schweigsam, lehrsam oder sehr lustig. 

Von Naharija aus sind Kati und ich dann noch zu der Haifa WG gefahren. Auf dem Weg habe ich ärgerlicherweise meine Bauchtasche verloren. Wir haben alles in Gang gesetzt, um sie wieder zu bekommen: Überwachungsvideos der Busstation geschaut, das ganze Drama bei dem Verkehrsunternehmen gemeldet (auf Hebräisch) und die Polizei informiert. Der Verlust hat meine Laune für eine ganz schön lange Zeit runtergezogen. Meine Kollegin in der Uni hat mit mir immer wieder überall angerufen und eine Anzeige auf Facebook gestellt – hat alles nicht geholfen.

Naja, mit der Shimshon WG aus Haifa haben wir dann sehr leckeren und festlichen Shabbat gefeiert. Eine Mitfreiwillige in Haifa hat (ich glaube) Religionswissenschaften studiert und kann deshalb Althebräisch und kennt die Traditionen und ihre Geschichten. Deshalb haben wir dann richtig Shabbat und Chanukka feiern können. Nach einer Verdauungspause, jüdischen Geschichten, Diskussionen darüber, ob es überhaupt richtig ist als nicht jüdische Person, Chanukka mit den Bräuchen zu feiern und vielen Gemeinschaftsspielen, sind wir dann in einen Club gegangen.

Wieder haben wir lustige Begegnungen gemacht: Ein 40 jähriger Palästinenser hat uns als wir draußen saßen von hinten angequatscht mit ,,höre ich etwa Deutsch hier“. Verwundert wie wir waren, haben wir uns dann ganz viel mit dem unterhalten, auch mit seinen Freunden, einem Jurist für die Musikbranche und einem ägyptischen Diplomaten. Dann mussten wir nach Hause. Plan war zu trampen … mal wieder. Letztendlich sind wir dann aber gebracht worden von unseren neuen Freunden. Also in einem Tesla und einem Diplomaten Auto nach Hause, mit lauter Musik durch das nächtliche Haifa. Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich mich in so einer Situation wiederfinde. 

Ich wünsche Euch alles Gute, viel Gesundheit und hoffe, dass Euch meine langen Updates nicht zu viel werden. Falls das so ist, schreibt mir gerne. Ansonsten berichte ich an Shabbat (also schon in 2 Tagen) wie angekündigt von der Weihnachtszeit, Silvester und Änderungen und Fortschritten bei meinen Projekten. 

Liebe Grüße, 
Anna
 

Stürmisches Meer

Weihnachten und Silvester

Shabbat Shalom, 

5. Update schon… die Zeit vergeht echt rasend schnell. Dabei haben wir es die nächsten zwei Wochenenden eher ruhig angehen lassen. Nachdem wir Besuch von Naila (Naharija) und Leonore (Jerusalem) hatten, Joel (unsere Studentische Aushilfe während der Seminare, der vor einigen Jahren mit ASF in Frankreich war) verabschiedet haben und Kati, Jola und Jo aus der Guatemala WG (Jeusalem) vorbei gekommen sind, stand auch schon das Weihnachtsseminar vor der Tür. 

Eigentlich liegt das Zwischenseminar nicht auf Weihnachten, da wir aber zusammen feiern wollten, hatten wir mit Guy (unserem Landesbeauftragten) ausgemacht, das Seminar so zu legen, dass wir im Anschluss alle zusammen eine weitere Nacht im Beit Ben Yehuda schlafen und Weihnachten feiern. Als die letzte Seminareinheit beendet war, haben wir uns auf den Weg in den Club gemacht, um in Jesus‘ Geburtstag reinzufeiern. Am nächsten Morgen waren wir natürlich nicht so super fit, trotzdem haben wir dann von morgens bis abends eingekauft und gekocht. Denn drei festliche Gänge, vegan und für 30 Personen vorzubereiten, in einer kleinen Küche wohlbemerkt, braucht nicht nur viel Zeit, sondern muss auch gut geplant sein. Mit der ganzen Übung im Kochen, die wir über die Seminare erleben durften, haben wir pünktlich um 17 mit den Feierlichkeiten anfangen können. Vorher haben einige Leute noch Deko gebastelt und unseren Besuch empfangen. Außerdem haben wir gewichtelt, uns also untereinander beschenkt. 
Unser Besuch war eine ältere Dame, Ruthi, aus dem ASF Freundeskreis und ihr Mann. Sie hatte bei unserem ersten Seminar einen Vortrag über jüdische Feste und Traditionen gehalten, jetzt war sie bei unserem Weihnachten dabei. Das wollte sie unbedingt, weil sie einfach ewig kein Weihnachten gefeiert hatte, sie das aber an ihre Kinderheit in Deutschland erinnere. 

Auch im Kindergarten wurde Weihnachten gefeiert. Ich glaube, weil Weihnachten auch zur westlichen Leitkultur dazugehört, finden viele den Weihnachtstrubel mit Märkten, geschmückten Straßen und Plätzchen-Backen toll und haben daran teil. Ich konnte im Kindergrten leider nicht mitfeiern, weil ich ja zur selben Zeit beim Seminar war. Den Nahostkonflikt die ganze Zeit ein bisschen mitzuerleben (ein bisschen, weil ich ja privilegiert bin, nicht mit Rassismus oder Hass begegnet werde und ich mich aus diesem Konflikt jeder Zeit rausnehmen kann) und dann im Kindergarten genau das Gegenteil von Konflikt zu erleben, ist immer wieder sehr herzerwärmend für mich. Die Beziehung der Kulturen ist nicht nur friedlich, sondern total liebend und wertschätzend. Die größtenteils palästinensischen Erzieherinnen feiern die jüdischen Feste mit, bereiten sie ja sogar für die Kinder vor, die größtenteils jüdischen Kinder feiern die nicht in der jüdischen Mehrheitsgesellschaft gefeierten muslimischen Feste mit, und dann feiern sie auch noch Weihnachten, obwohl Christ:innen in Tel-Aviv ja kaum vertreten sind. Das geht noch so viel weiter als einfach friedlich zusammenzuleben. Von diesem Kindergarten kann die Welt echt noch lernen!  

Zurück zu dem Weihnachten der ASF-Freiwilligen in Jerusalem. Eigentlich gehe ich eher selten zu einem Gottesdienst und kann damit auch nicht so viel anfangen, aber an Weihnachten an dem Ort zu sein, an dem die Weihnachtsgeschichte (fast) stattgefunden hat, war irgendwie magisch. Da bin ich dann doch mit einigen anderen Freiwilligen zu einem Mitternachtsgottesdienst in die Erlöserkirche gegangen. Im Anschluss gab es eine von der Gemeinde organisierte Wanderung nach Bethlehem. Für alle, die es nicht wissen, Bethlehem liegt in der Westbank. Das heißt wir konnten nicht mit unserem Landesbeauftragten, Guy, der ja Israeli ist, aber Weihnachten mit uns gefeiert hat, diese Wanderung machen. Nach einer Partynacht, viel Organisieren und für Viele auch ein bisschen Heimweh, hatten nur noch 3 weitere Personen Lust und Kraft sich mit mir der Gemeinde anzuschließen und 10 km mit bestimmt 300 bis 400 Deutschen nach Bethlehem zu wandern. Wir haben uns dann die Geburtskirche angeguckt, ich sende euch ein paar Bilder. Über Nacht und an Weihnachten dort zu sein, war schon ein sehr besonderes Gefühl. Wir sind auch recht lang geblieben und haben im Anschluss noch die Stadt bei Nacht erkundet. Als dann gegen 6 Uhr die Menschen anfingen, den Markt aufzubauen, einzukaufen, ihre Grille auf der Straße anzuheizen und die Bäckereien öffneten, haben wir uns vom Acker gemacht. Ganz langsam, denn irgendwie brauchten wir alle ein bisschen Zeit, um die Nacht mit so vielen Eindrücken und Gedanken, die Nacht, die wir sonst immer ganz anders bei unseren Familien verbracht haben, zu verarbeiten. 
Am nächsten Morgen waren wir 4 um 8 Uhr wieder im Beit Ben Yehuda (ASF-Gäst:innenhaus) und das Seminar vorbei. Also ab in den gewöhnlichen Arbeitsalltag. 

Eine Woche später haben wir, die Zunz Kohorte aka die Tel-Aviv WG, die Haifa WG und einen Teil der Jerusalemer zu uns eingeladen, um gemeinsam ins neue Jahr zu rutschen. Kati hatte eine Power-Point vorbereitet mit ganz vielen sehr lustigen Bilder von uns, die sich über die ersten 4 Monate angesammelt hatten. Nach 00.00 haben wir uns auf den Weg ins Phi gemacht, das ist ein Club/eine Bar in Tel-Aviv. Bis dahin haben nicht alle durchgehalten und nur noch ein kleiner Teil von uns hat sich dann mit der Bethlehem WG (aus Jerusalem) und mit Till aus der Guatemala WG (Jerusalem) dort getroffen. Ich nenne euch die Leute so genau, weil genau die Leute dann nach einer langen Nacht mit Laila (meine Mitbewohnerin) und mir am Strand saßen und auf den ersten Zug nach Jerusalem gewartet haben. Wir hatten uns untergesetzt, weil es geregnet hat und dann kam plötzlich die Bombe runter. Ungefähr 600 bis 800m vor uns ins Wasser. Erst haben wir nur den lauten, lauten Knall gehört, der von den Hochhäuser in unserem Rücken reflektiert wurde. Und wir haben die Druckwelle gespürt, dann haben wir die Rauchwolke vor uns im Wasser gesehen. Komisch wars, dass die ganzen Menschen, die um 6 Uhr morgens, am Strand sind, nicht reagiert haben. Einmal geguckt und dann geht das Leben auch schon weiter. An denen haben wir uns dann auch orientiert und sind einfach sitzen geblieben. Am nächsten Morgen kam in den Nachrichten, dass 3 Bomben über Silvester aus Gaza gefeuert wurden. Das IDF (Israeli Defense Forces) hatte nicht gewarnt, weil für sie schon vorher klar war, dass die Bomben keine Gefahr darstellen, trotzdem ein Schock für uns. 

Ich wünsche Euch viel Gesundheit und ein schönes Wochenende, Shabbat Shalom oder

‏שבת שלום!

Liebe Grüße, 
Anna
 

Gedanken zur Ukraine und Trip nach Jersualem und Ramallah

Hallo ihr Lieben,

ich hoffe es geht Euch gut. Auch ich bekomme hier den Krieg in der Ukraine mit und bin sehr erschüttert. Meine Gedanken kreisen viel um unterschiedliche Fragen. Natürlich: Wie kann ich helfen? Was halte ich von den Schritten, die unsere Regierung gerade geht? Welche Hoffnungen kann ich haben? Welche Geschichte hat dieser lang anhaltende Konflikt und warum kommt es gerade jetzt zur Eskalation? Meine Gedanken kreisen auch immer wieder um die Frage, wie wichtig es ist gerade, den Umgang mit solchen Krisen zu kritisieren. Den Umgang mit der sogenannten Flüchtlings-„Krise“ (Stichwort: Festung Europa, Buch von Erik Marquardt: Europa schafft sich ab), dem Eingreifen in andere Kriege, der Rassismus bei der Berichterstattung („das sind … christliche Menschen… Menschen, die eine Kultur mit uns teilen… zivilisierte Menschen… Menschen, die so aussehen wie wir…“ Als würde das alles ein Unterschied machen) Mir fehlt gerade total politischer Austausch und obwohl ich mitbekomme, dass der Krieg an meinen Mitfreiwilligen nicht spurlos vorbeigeht, habe ich das Gefühl, dass viele von uns noch nicht wirklich gemerkt haben, was da gerade passiert. Vielleicht habt ihr es mitbekommen; Israel sendet Hilfspakete und hilft bei der Evakuierung von Menschen aus dem nahen Osten, in Tel-Aviv gab es zwei große Kundgebungen, um Solidarität mit der Ukraine zu zeigen.

Ich sende Euch hier links

- über die ihr zu Organisationen gelangt, die Sachspenden entgegennehmen und verteilen: https://www.caritas-international.de/hilfeweltweit/europa/ukraine/inlandsvertriebene
- über die ihr Geld spenden könnt: https://wir-packens-an.info/
- und über die ihr Menschen, die gerade sehr sehr dringend auf unsere Hilfe angewiesen sind, bei Euch aufnehmen könnt: https://www.unterkunft-ukraine.de/

Natürlich sind das nicht die einzigen Organisationen. Besonders bei den Sachspenden gibt es bestimmt kleine Vereine, die lokal besser vernetzt sind. Vielen lieben Dank an alle, die schon gespendet haben, und an alle, die das noch tuen. Ich glaube gemeinsam halten wir das durch.

Zurück zu meinen Updates, vielleicht hilft das, um mal über was anderes nachzudenken:

Das Wochenende nach Silvester haben wir es ruhig angehen lassen. Zusammen mit meinen Mitbewohnerinnen, Theresa und Laila, sind wir in die Guatemala WG nach Jerusalem gefahren, um mal zu entspannen und Trips zu planen.

Nach Plan sind Kati und ich dann am folgenden Donnerstag nach Abu Gosh gefahren. Abu Gosch ist eine kleine Stadt westlich von Jerusalem mit einer größtenteils muslimisch-arabischen Bevölkerung. Kurze Geschichtsstunde: Löwenherz erblickte von dort aus zum ersten Mal Jerusalem, Kreuzfahrer bauten dort die Auferstehungskirche, im 14. und 15. Jhd. gab es dort eine wichtige Karawanserei, das deutsche Konsulat hatte im Osmanischen Reich dort seinen Sitz, im ersten Palästinakrieg widersetzten sich die Bewohner den arabischen Führern und entschieden sich für ein Leben im neuen jüdischen Staat, vor Palästinenser:innen hassenden Zionisten versteckte sich die Bevölkerung in den Benediktinerklöstern. Abu Gosh ist ein sehr schöner Ort in den Bergen, mit schöner Landschaft, mit über Landesgrenzen hinweg bekanntem Hummus und schönen Gotteshäusern.

Freitag ging es dann schon los nach Ramallah. Schon? Ein etwas länger geplanter Trip, auf den Kati, Theresa und ich uns sehr gefreut haben. In Ramallah haben wir uns mit unserem Bekannten, Moath, getroffen, der uns dann sein Wohnort, das Flüchtlingslager Jalazone, gezeigt hat. Jalazone wurde 1949 nach dem Palästinakrieg 1948 gegründet. Heute ist es eine befestigte Nachbarschaft mit heute weit mehr als 14.520 (2007) Bewohner:innen. Direkt angrenzend zu dem Camp gibt es eine illegale israelische Siedlung. Aus unterschiedlichsten Gründen kommt es immer wieder zu brutalen Ausschreitungen im Camp, die meistens mit toten oder verhafteten jungen Menschen auf der Palästinensischen Seite enden. Das Straßenbild ist von schlechter Infrastruktur und Bildern von den vermissten Menschen geprägt. Im Anschluss an den Besuch in Jalazone sind wir mit Moath in den Palestine Tower Ramallah gegangen und haben bei einer heißen Tasse Kaffee über die Sichtweisen auf den Israel-Palästina Konflikt diskutiert. Ich konnte raushören, dass Moath und viele junge Menschen wie er sehr erschöpft sind und in Verhandlungen keine Zukunft sehen. Außerdem ist er enttäuscht seiner Regierung und dessen von Israel abhängigen Situation. Unten in dem Turm ist ein Kino in dem wir dann gemeinsam Spider-Man, No way home geschaut haben. Danach sind wir dann in unser Air BnB gelaufen, um unsere Kleidung zu trocknen. Die war nämlich ziemlich nass vom ganzen Regen :( Am nächsten Morgen ging’s nach Nabulus, die Stadt mit Josephs Grab. Nabulus wird von Muslimen, Christen und Samaritern geteilt. Auch Israelis sind dort verteilt, auf 14 Siedlungen. Nabulus ist eine Unistadt mit einer schönen Altstadt und mit der Palästinensischen Börse. Schon immer war Nabulus, mit seiner Lage mitten in der Landwirtschaft, Knotenpunkt für den Export auch ins Ausland. Deshalb gibt es in der Altstadt noch einige Betriebe, die seit dem 10. Jahrhundert bestehen und seit dem Palästinensische Spezialität wie Halawe, Knafeh, leckerstes Olivenöl und Seifen produzieren. Mit den Frauen aus dem Frauenhaus haben wir also die Altstadt erkundet, leckeres Essen probiert und über die jüngste und teilweise sehr traurige Geschichte Nabulus‘ gelernt. Es gibt dort auch ein großes Hammam, in das wir einfach mal so reinspaziert sind. Tatsächlich hat dort gerade eine Geburtstagsfeier für ein 2 Jahre altes Baby stattgefunden. Die Frauen vom Frauenhaus kannten die Gastgeberinnen und zack waren wir mitten drin und wurden mit Essen beschenkt. Das war eine super schöne Erfahrung, natürlich wurde das Hammam nur als Räumlichkeit und nicht als Bad genutzt.

Abends waren wir spät Zuhause, weil das System, nach dem die Öffis in der Westbank fahren, nicht ganz so leicht zu durchschauen ist. Am nächsten Morgen ging’s für mich wieder in den Kindergarten die Holzwerkstatt betreiben. Im Kindergarten läufts mittlerweile richtig gut, ich hab das Gefühl ich bin richtig angekommen. Das liegt bestimmt auch daran, dass ich mich besser verständigen kann. Ich möchte keine falschen Hoffnungen wecken - vom Hebräisch und/oder Arabisch sprechen bin ich weit entfernt, aber so ein paar Basics kann ich und die bringen mich erstaunlich weit :)

Zu meinem Projekt an der Uni und wie ich den Präsidenten, Herrn Herzog, getroffen habe schreibe ich im kürzlich folgenden Update. Erstmal wünsche ich euch jetzt aber Gesundheit, Ausdauer und Kraft bezüglich des Krieges in der Ukraine.

Liebe Grüße,

Anna

 

Anna trifft den Herzog - Wochenenden in Tiberias, Nazareth und vieles mehr

Shabbat Shalom,

ich hoffe es geht euch gut.

Ich habe den Herzog getroffen und zwar richtig mit Vorstellen, Smalltalk und Händeschütteln. Ich bin kein Fan von dem, aber aufregend war das trotzdem. Am 27. Januar war Holocaust Gedenktag und damit auch der Tag, an dem das Kantor Center den jährlichen Bericht über die Entwicklung des Antisemitismus weltweit veröffentlicht und dem Präsidenten vorstellt. Da durfte ich als kleine Forscherin mitfahren ;) Ich sende Euch ein paar misslungene Bilder :/ Am Abend hat ASF online ein gemeinsames Gedenken veranstaltet. Leider war ich beim Präsidenten und konnte deshalb nicht an dem Gedenken teilnehmen. Ich habe trotzdem einen Text über die Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz, die ich kurz vor meinem Abflug nach Israel gemacht habe, geschrieben. Ich schicke Euch den Text mal mit.

Nach einem eher entspannten Wochenende in Tel-Aviv, habe ich mich die kommenden zwei Wochen auf die Arbeit konzentriert. Am Kantor Center arbeite ich jetzt mit einem Studenten aus Canada und unserem Chef, Carl, zusammen. Gemeinsam übersetzten wir Quellen, die wichtig für den jährlichen Bericht sind. Das bedeutet, ich versuche verlässliche Quellen zu finden, die antisemitische Vorfälle im deutschsprachigen Raum sammeln und dann am besten noch kategorisieren. Leider ist das selten der Fall, dann mach ich das - eine Excel Tabelle nach der Anderen.

Im Kindergarten ist im Moment auch viel los - für mich. Denn viele Erzieherinnen bekommen Corona und bleiben dann erstmal zuhause. Ich hatte es zum Glück noch nicht bzw. nicht wissentlich. Das heißt dann aber, dass ich häufig einspringe. Ich war also viel in den Gruppen und habe nicht die Holzwerkstatt betrieben. Das fand ich richtig gut, denn je besser ich die Kinder und die Erzieherinnen (auch beim Namen) kenne, desto wohler fühle ich mich. Ich kann so natürlich viel besser mithelfen.

Bald darauf sind Kati und ich nach Jericho (arabisch: Ariha) gefahren. Schon auf dem Hinweg haben wir jemanden kennengelernt, der uns unbedingt helfen wollte bzw. uns nicht in Ruhe gelassen hat. Solche Begegnungen haben wir dann an dem Tag noch häufiger mache müssen :/ Als wir dabei waren aus der Innenstadt rauszulaufen, um zum Berg der Versuchung zu kommen, haben wir jemanden kennengelernt, der uns zu sich und seiner Familie in seinen Vorgarten eingeladene hat. Irgendwie haben wir ohne nachzudenken „ja“ gesagt, denn wir standen schon vor dem Garten und die kleine Runde Leute dort sah echt nett aus. Bis der Vater und dessen Cousin kam, war die Verständigung leider sehr schwierig. Die beiden dazugekommenen Männer konnten fließend Englisch sprechen, dadurch ist dann ein richtig spannendes Gespräch über die wirtschaftlichen Möglichkeiten Palästinas entstanden. Im Anschluss haben sie uns dann durch Jericho gefahren und fast nach Jordanien (die Jordanische Grenze lag da nur 200 Meter vor uns). Nachdem wir im Anschluss auf dem Berg der Versuchung waren, haben wir uns auf den Weg nach Hause gemacht. Das heißt an einem Obststand auf das Großraumtaxi, das uns nach Jerusalem fahren sollte, warten. Weil da aber keins kam, hat uns ein Achmat mitgenommen, so waren wir auch viel schneller. Die Autofahrt hat ungefähr eine halbe Stunde gedauert. In der halben Stunde haben wir viel über die unterschiedlichen Städte Palästinas geredet, über ihre Geschichte, über die Situation mit Flüchtlingslagern und illegalen Siedlungen heute und über ihre jeweilige Bedeutung für Palästina. Jerusalem: Zentrum für Religion, Hebron: Zentrum für Wirtschaft, Ramallah: Regierungssitz, Nablus: große Studierendenstadt. Achmat hat Kati und mich auch zum Reiten in Jericho eingeladen. Kati und Theresa können reiten, aber ich nicht. Deshalb waren die beiden seit dem schon ein paar Mal in Jericho zum Reiten.

Nach einem langen Nachhauseweg, ging die Woche schon wieder los. Aber weil das erste Mal auch in Jerusalem recht gutes Wetter war, konnte ich natürlich nicht still sitzen. Also bin ich am Abend zurück nach Jerusalem gefahren, um mit Kati zu einem Open mic Jazz Abend zu gehen. Schön war’s :) Schön war’s auch am kommenden Mittwoch anzubaden und zwar im Tel-aviver Stil. Zusammen mit Celina aus Haifa und Kati war ich morgens Surfen, und zu meiner Überraschung war es gar nicht kalt.

Für das darauffolgende Wochenende war unser Plan, nach Tiberias, dann nach Afula, nach Nazareth und dann nach Haifa zu fahren. 4 Städte an 3 Tagen? Jap hat gut geklappt, denn Israel ist ja nicht so groß.

Tiberias war leider eher weniger interessant. Natürlich ist die Geschichte sehr spannend, aber das Wetter war wieder schlechter geworden, die Stadt war recht leer, denn alle Menschen waren arbeiten und das Ufer vom See Genezareth ist komplett privat. Von da haben wir uns also zügig auf den Weg zu unserer Unterkunft aka WG von anderen Freiwilligen in Afula gemacht. Dort haben wir uns erstmal ganz viel über unsere Projekte ausgetauscht. Später haben wir aber auch lange darüber diskutiert, was wir von Freiwilligendiensten dieser Art halten. Welche Aufklärungsarbeit muss man selber machen, damit es vertretbar ist, in ein anderes Land zu gehen. Kann man überhaupt in ein Land gehen, dessen Politik man nicht unterstützt? Unterstützt man nicht auch die Regierung und deren politischen Entscheidungen in gewisser Weise? Schwierige Fragen, die ich bis jetzt nicht ganz für mich klären konnte.

Am nächsten Tag haben wir eine richtig schöne Zeit in Nazareth verbracht. Die Altstadt ist noch sehr gut erhalten, weil sie wegen ihrer religiösen Bedeutung während der Kriege nicht zerstört wurde. Natürlich haben wir auch die Verkündigungsbasilika besucht. Nach einem Kaffee in einem Kulturcafé, sind wir nach Haifa getrampt, denn Freitag Abend bedeutet Shabbat und damit keine Busse mehr. Die Strecke war ziemlich lang, deshalb sind wir nur in Etappen vorangekommen. Letztendlich haben wir es aber natürlich bis zur Haustür der Haifa WG geschafft. Am nächsten morgen hat Celina (aus Haifa) uns durch Haifa geführt. Das war das erste Mal, dass ich ein Gesamtbild von Haifa bekommen habe.

Bald erzähle ich euch von einer Führung durch die geteilte Stadt Hebron. Wahrscheinlich habt ihr zu Hebron schon ein Bild im Kopf, weil es dort ja immer wieder zu großen Ausschreitungen kommt. Ich hatte vorher kein Bild von der Stadt, ich glaube, weil ich zu jung bin. Ich hab mich natürlich reingelesen in die Geschichte, trotzdem war es, glaube ich, ganz gut, dass ich vorher nicht so viel über die aktuelle Lage wusste. Die Tour war sehr spannend und passt gut, um ins nächste Update zu starten. Deshalb jetzt erstmal Shalom!

Liebe Grüße,

Anna

Ostern, Pessach oder Ramadan - und Besuch von der Schwester Lina

Salam und Shalom ihr Lieben!

Ich hoffe es geht Euch gut und Ihr konntet, wenn Ihr denn feiert, Ostern, Pessach oder Ramadan mit Euren Liebsten genießen.

Erstmal möchte ich ein Fehler aus dem letzten Update berichtigen: Im Betreff hatte ich von der Laila At-Miraj (1. März 2022) gesprochen, dann aber nicht davon erzählt. Manchmal bereite ich unterschiedliche Texte mit unterschiedlichen Betreffen vor. Da hab ich dann einmal Betreff und Text falsch kombiniert. Ich möchte jetzt trotzdem nochmal die Gelegenheit nutzen von der Laila At-Miraj im Kindergarten zu berichten: an diesem Tag wird das Aufsteigen des letzten Propheten, Mohammads, zu den vorherigen Propheten zelebriert. Mohammad reitet zuerst auf einem fliegenden Pferd von Mekka nach Jerusalem, Haram al-Sharif/ Al Aqsa. Dort steigt er dann zum Himmel auf und erkennt die früheren Propheten an. Mit viel Gebäck, Basteleien, Nacherzählungen und Liedern haben wir uns im Kindergarten auf den Feiertag vorbereitet.

Vom Damascus Tor in Jerusalem, nach Bethlehem und von da aus nach Hebron habe ich die Landschaft Palästinas bestaunen können. Überall ziehen sich Wege und Straßen durch die Berge, Ziegen grasen, Menschen reiten auf Eseln oder Kamelen vorbei und kleine Laster transportieren Grünzeug frisch vom Feld in die Städte. Das Wetter war leider nicht so schön wie die Landschaft. Es hat die ganze Zeit geschüttet. Klatschnass sind wir also an unserem Ziel, einer Berufsschule in Hebron, angekommen. Dort gab es einen heißen Tee und Frühstück. Danach sind wir mit Anas, einem Englischlehrer, der auch Touren durch Hebron leitet, durch die unterschiedlichen Zonen Hebrons gelaufen. Zutritt zu der H1 Zone, die unter Verwaltung der palästinensischen Autonomiebehörde steht, ist Israelis untersagt. Die H2 Zone besteht aus historisch jüdischen Gebäuden, die jetzt wieder von Israelis besiedelt werden, und aus Wohnungen, die ehemalig nicht jüdischen Palästinensern gehörten und noch gehören. Teilweise wohnen Palästinenser noch in Häusern der H2 Zone, dürfen zu ihren Häusern aber nur vereinzelte Straßen nutzen. Bestimmt kennt ihr Hebron aus den Nachrichten und auch die Situation, die ich hier gerade verkürzt darstelle, deutet auf starke Spannungen hin. Immer wieder kommt es zu Gesetzesbrüchen, die dann Tote als Ergebnis haben. Die Tour mit Anas hat uns den Alltag vieler Menschen in Palästina und vor allem in Hebron, einer nicht einfach geteilten, sondern zerstückelten Stadt, dessen Menschen zwischen Gewalt zermahlen werden, näher gebracht. Die Geschichte Hebrons sagt (für mich) nicht eindeutig wer Recht auf Siedlungen, Orte mit großer religiöser Bedeutung oder die Hauptverkehrsstraßen hat. Mittlerweile denke ich aber, dass es der falsche Ansatz ist, um Frieden zu erlangen. Am besten wäre es, erstmal die Resolution 181 zu achten.

Ich sende Euch einige Bilder, die verdeutlichen wie sehr Zäune, Stacheldraht, Checkpoints, Mauern, lange Umwege, wegen versperrter Straßen, und kleine Stützpunkte auf Häusern das alltägliche Leben einschränken. Auf den Bildern ist auch die „Geisterstadt“ zu sehen. Das sind Teile der H2 Zone, die ursprünglich belebtes Stadtzentrum waren, jetzt als „Puffer“ dienen: H1 - Checkpoint - Geisterstadt (mit vereinzelten belebten Wohnungen) - Israelische Siedlung.

Ich hab außerdem gelernt, dass Häuser der Altstadt in der H1 Zone von israelischen Siedlern angegriffen (Bilder: Gitter über offenem Treppenhaus, kleiner Stützpunkt auf Palästinensischem Haus) und vom israelischen Militär sehr stark kontrolliert werden (zugemauerter Eingang; Türen in der Altstadt dürfen nicht verschlossen werden, sodass immer Kontrollen stattfinden können). Es gibt sehr viel mehr über Hebron zu berichten und für mich noch viel mehr zu lernen. Das war der erste Eindruck und die Palästinensische Sicht. Am 2.6. mache ich eine Tour mit „Breaking the Silence“, die israelische Sicht; in Anführungszeichen. Denn Breaking the silence repräsentiert nicht die Siedler oder die israelische Politik, sondern kritisiert diese. Die Siedler, die ich bis jetzt getroffen habe, sind sehr rechts und rassistisch. Sich mit Siedlern aus Hebron auseinanderzusetzen, die für ihre radikal rechte Haltung bekannt sind, kommt für mich nicht in Frage.

So dann erstmal zurück zur Arbeit:

Endlich schönes Wetter im Kindergarten. Und das heißt viel draußen spielen, ohne dass die Kinder voll Matsche sind. Ich war das erste Mal und dann auch mal für länger in der Gruppe „Mango“, also mit den ganz kleinen. Ein halbes bis anderthalb Jahre sind die Kinder alt. Ich hab die Zeit in Mango sehr genossen.

In der Uni warten meine Kolleg:innen und ich auf dem Endspurt, den jährlichen Bericht zur Entwicklung des Antisemitismus weltweit fertigzustellen. Mittlerweile ist er fertig und ich bin ein bisschen stolz. Ich sende hier den Link:

https://cst.tau.ac.il/wp-content/uploads/2022/04/Antisemitism-Worldwide-2021.pdf

Die Arbeit zeigt mir in welchem Ausmaß Antisemitismus auch heute noch ein Problem ist. Die Notwenigkeit Israels als „sicherer Hafen“ wird so unmissverständlich deutlich. Paradoxer Weise besonders dadurch, dass selbst dieser Schutzraum dauerhafter Anfeindung und Bedrohung ausgesetzt ist.

Während meinem kleinen Homeoffice-Marathon war ich mit Freunden aus Haifa auf einem Festival im Hafen von Haifa. Das war soooo cool. Wir haben The Blaze live gesehen :D

Ziemlich übermüdet bekam ich dann für eine Woche Besuch von meiner großen Schwester, Lina.

Endlich ein bisschen abschalten… Aber natürlich wollte ich Lina auch ein bisschen was von Israel zeigen. Purim (dazu gleich mehr) lag auch in der Woche. Lina und ich haben (glaube ich) das Urlaub, „was-von-der-Welt-sehen“ und Purim gut unter einen Hut bekommen. Die ersten Tage sind wir von Stadt zu Stadt: Wir haben uns das alte Jaffa angeschaut, sind zum Strand gegangen, haben Haifa und die dortige kleinste U-Bahn der Welt besucht, Jerusalems Altstadt durchwandert und viel gequatscht. Obwohl das Wetter nicht so mitgespielt hat, hatten wir eine richtig schöne Zeit. Mir war auch sehr wichtig, mit Lina einmal in die Westbank zu fahren. Vielleicht habt ihr es gemerkt, ich denke, dass das Leben der Palästinenser:innen immer mitbedacht werden muss, wenn man sich mit Israel beschäftigt. Also sind Lina und ich nach Ramallah gefahren. Dort haben wir einen sehr schönen Tag verbracht. Leider wurden schon wieder zwei junge Palästinenser von der IDF erschossen.

Unwissentlich waren wir dann kurz darauf vor Ort und konnten die Stimmung, die dann herrscht gut beobachten. Fast niemand durchquert mehr die Checkpoints, an den die Menschen erschossen wurden, und viele Menschen trauern.

Am nächsten Tag haben wir dann Purim in Tel-Aviv gefeiert. Irgendwie eine komische Zeit, um ehrlich zu sein. Die Tel-Aviv WG hatte Besuch von den anderen Freiwilligen aus anderen Städten. Zusammen haben wir ein bisschen unter uns gefeiert. Leider konnten wir schlecht einschätzen, was jetzt die Hauptattraktionen sein sollten.

Purim ist von den Bräuchen her vergleichbar mit unserem Karneval. Die Geschichte für dieses Fest aber eine ganz andere: „Purim“ bedeutet das Los. Das Los war der geloste Tag, an dem die gesamte jüdische Gemeinde in der persischen Diaspora ausgelöscht werden sollte. Nach dem Buch Ester wollte Haman, der höchste Regierungsbeamte des persischen Königs, wegen einer Unhöflichkeit eines Judens alle Juden an diesem Tag ermorden. Ester, die zweite Frau des Königs war selbst eine Jüdin und verhinderte dies. In der Geschichte des Judentums kommt es selten vor, dass jüdische Gemeinden sich auch mit Gewalt selbst verteidigen (können). Deshalb ist Purim so besonders und wird laut gefeiert.

Dann sind wir am nächsten Tag bei strömendem Regen nach Jerusalem gefahren. Dort gibt es ein großes Straßenfest. Alle waren verkleidet und feierten. Vereinzelt hatten sich Leute auch rassistisch verkleidet. Einige auch als Palästinenser. Das war so bescheuert, denn diese Menschen sind dann zu den traditionell so gekleideten Palästinenser auf den Markt gegangen und haben ihre Ware gekauft. Insgesamt war es aber sehr lustig. Ich fand es auch spannend, Jerusalem, das ja keine Partystadt ist, so feiern zu sehen. Auch viele gläubige Juden waren betrunken und haben mit auf den Straßen getanzt.

Lina und ich haben uns im Anschluss sehr schnell auf den Weg nach Hause, also nach Tel-Aviv, gemacht. Es war kurz vor Shabbat-Beginn und wir mussten unbedingt den letzten Bus bekommen. Am Busbahnhof waren wir nicht die Einzigen, die das vorhatten. Plötzlich gab es ein Gedrängel und Geschubse und auch ein bisschen Panik. Natürlich haben wir es wie viele andere nicht mehr in den Bus geschafft. Nach und nach rollten die ganzen Busse ein, die froh waren Feierabend machen zu können. Ein Bus kam dann noch und hat uns ein bisschen Hopps genommen. Tür auf, Tür zu, Landeklappe auf, Ladeklappe zu, kurz Handy raus, um zu filmen, wie verzweifelt und hoffnungslos wir bei der Aktion wirkten und dann noch ein Stück weiterfahren. Dann war aber auch genug. Alle sind mitgekommen und Lina und ich haben nicht mal bezahlt.

Das Ende dieser Purim Geschichte ist bestimmt mindestens so chaotisch, wie mein Rhythmus, Updates zu schreiben. An diesem habe ich jetzt auch wieder einen Weile geschrieben, weil ich selten dazu kam, mir mal für etwas länger Zeit zu nehmen. Bald schicke ich euch das 9. Hinterher. Dann habe ich alles „nacherzählt“ und schreibe über das, was hier gerade so aktuell los ist. Wahrscheinlich habt ihr davon ja auch schon einiges über die Nachrichten mitbekommen.

Ich wünsche Euch einen sonnigen und fröhlichen Frühlingsanfang!

Liebe Grüße,

Anna

Grüne Täler Jerusalems und Besuch von Mama

Shabbat Shalom,

da trudelt schon das nächste Update von mir ein :)

Nach einem wunderschönen Wochenende, an dem Kati und ich durch die grünen Täler Jerusalems gewandert sind und die ersten Sonnenstrahlen genießen konnten, haben wir uns der Organisation, Zochrot, angeschlossen.

Am Tag des Landes, dem 30. März, sind Theresa, Kati und ich mit Zochrot in die Naqab (Negev) gefahren. Dort haben wir zwei palästinensische Beduinendörfer besucht: Sa'wa und al-Aragil. Beide Dörfer sind immer noch durch Enteignung und Vertreibung den israelischen Behörden ausgesetzt.

Al-Araqib: „Dorf“ ist hier gut gesagt, denn dort leben die paar verbliebenen Menschen in Zelten und Autos. Der Rest wurde und die neuen Aufbauten werden immer wieder zerstört. Der JNF (Jewish National Fund) pflanzt auf den freigeräumten Flächen Bäume. Sobald dort Bäume der JNF stehen, gehört die Fläche dem Staat.

Sa’wa: Einige dieser „Dörfer“, die noch mehr oder weniger bestehen, wurden 1967 von Israel anerkannt. Damit haben die Bewohner:innen die Staatsbürgerschaft und Recht auf Infrastruktur. So ein Dorf haben wir auch besucht. Eine kleine Ortschaft, leider ohne ausreichende Infrastruktur, aber mit einem schon lange anhaltenden Streit vor Gericht, ob die israelische Anerkennung noch gilt oder nicht. Wenn der Streit verloren ist, werden nicht nur die Felder weiter verschwinden, sondern auch die Menschen gehen müssen.

Wir konnten in der Ferne auch das Township, Rahat, sehen. Nächste Woche werden wir es besuchen. Dorthin wurden viele Palästinenser:innen aus den umliegenden Dörfern umgesiedelt. Ich bin sehr gespannt und freue mich, Euch dann zu berichten.

Falls ihr die Karte Israels vor Augen habt, wisst ihr, dass wir für die Besuche der Bedouinendörfer schon eine ganze Ecke in den Süden gefahren sind. Nachdem wir also im Zelt des Sheikhs von Al-Araqib über Al NNakba in der Naqab gelernt hatten, sind wir nach Eilat aufgebrochen. Das erste Stück sind wir nach Be‘er Scheva getrampt und dann von da aus weiter mit dem Bus gefahren. Drei Nächte haben wir tief im Süden, zwischen Jordanien und Ägypten geurlaubt. Zunächst haben wir einen langen Tag am Princess Beach verbracht. Es ist ein etwas ruhigerer Strand, fast am Durchgang, Taba, zum Sinai. Dadurch dass in einem großen Umkreis Motoren verboten sind, kann man in dem klaren Wasser mit bunten Fischen schwimmen. Die Fische waren sooooo schön und ich hätte so gerne Fotos gemacht. Naja, dafür bekommt ihr ein paar andere lustige Bilder.

Am nächsten morgen haben wir uns mit Sack und Pack auf den Weg zum Red Canyon gemacht (nordwestlich von Eilat). Shabbat bedeutet: Trampen. Nach ungefähr einer halben Stunde (bei 40 Grad  an der Grenze zu Ägypten entlanggelaufen) hat uns endlich jemand mitgenommen. Im Red Canyon angekommen, wollten wir erst einmal entspannt unseren Campingspot ausfindig machen. Die „große Wanderung“ hatten wir für den nächsten Morgen, bei Sonnenaufgang und weniger Hitze geplant. Wir waren viel rumgelaufen und das die ganze Zeit mit Gepäck. Obwohl der Nachmittag eigentlich ruhig war, hatten wir viel viel Durst und konnten immer mehr absehen, dass das Wasser für die morgige Wanderung nicht reichen würde. Zugegeben, habe ich ein bisschen Muffensausen bekommen. Langsam aber sicher kehrte der Abend ein und wir waren mehr als bereit einfach früh schlafen zu gehen. Ein netter Herr und seine Schwester waren wohl nicht das erste Mal in der Wüste und wussten worauf es ankam. Sie haben 5L Wasser für „Bedürftige“ eingeplant. Zum Glück durften wir die haben :) Die beiden kamen von einem Kibbutz der am Israel Trail in der Negev liegt. Vielleicht schaffe ich es die mal zu besuchen.

Am nächsten Morgen wollten wir mit unserem Proviant, dem genügendem Wasser und dem milden Sonnenschein über dem Wüstenstaub, den Morgen genießen. Spoiler: haben wir auch. ABER davor wurden wir von einer 80 Personen Touri Gruppe geweckt. Als die weg waren, waren wir fertig mit Frühstücken und Zähneputzen. Also auf auf! Durch riesige gebrochene Land/Steinplatten, trockene Flussläufe auf die riesigen Hügel drauf, haben wir die Ruhe, die Hitze und kein Empfang genossen. Tatsächlich hatte das Ganze etwas total Bezauberndes.

Auch der Rückweg musste getrampt werden: also haben wir auf dem Parkplatz ganz viele Leute angequatscht. Schön war, dass wir gerade fertig waren, als alle, die dort nicht übernachtet hatten, erst ankamen. Mehrere Leute haben uns Wasser und Essen gegeben. Zwei Personen haben uns ihr Auto als Sonnenschutz zur Verfügung gestellte, bis sie mit ihrer Wanderung fertig wären. Zum Glück haben wir, bevor sie wiederkamen, es geschafft in Etappen nach Eilat zu trampen. Dort sind wir noch einmal in den Golf von Akaba gehüpft und haben uns dann auf eine 10 stündige Busfahrt nach Hause begeben.

Am nächsten Morgen, auf dem Weg von Jerusalem nach Hause, habe ich einen Abstecher zum Flughafen gemacht und Mama eingesammelt. Yes! Mama ist zu Besuch.

Mama und ich haben (bis dahin) das beste Wetter abbekommen. Wir sind viel rumgelaufen, aber haben uns auch ein paar chillige Tage gegönnt und viel gequatscht. Die Zeit mit Mama war sehr aufregend. Mama, hat die nicht immer so schöne Situation in der WG mitbekommen, meine beiden Arbeitsstellen kennengelernt, mich bei meinen Zukunftsplänen beraten und wir haben Touri-Zeug gemacht, das ich vorher noch nicht gemacht hatte. Ich sende Euch die schönsten Bilder! Der Tag in der Jerusalems Altstadt war ein besonders schöner Tag. Ich bin (freiwillig) selten dort, trotzdem habe ich (ein bisschen Eigenlob) eine echt gute Tour, an all den ganzen spannenden Orten entlang, auf die Beine gestellt. Unter anderem haben wir auch die Hurva Synagoge besucht. Sie ist die erste Kuppelsynagoge in der Synagogenbaugeschichte und sehr bedeutende, so wurde sie auch Jahrhunderte lang behandelt. Ihre Geschichte ist sehr spannend und auf jeden Fall lesenswert. Ich persönlich habe noch nie so eine schöne Synagoge gesehen, auch hier in Israel nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass Gotteshäuser reich zu gestalten, kein elementarer Grundstein des Judentums ist oder, dass die lang anhaltende Shoah dazu beigetragen hat, dass Synagoge häufig unscheinbar sind. Mama und ich durften in den unteren, großen und geschmückten Teil reinluken. Dort haben viele Männer, jung und alt, die Tora studiert und diskutiert. Dann haben wir den Gebetsraum für die Frauen besucht. Dieser Raum war eine Empore, von dort aus man an die gleiche Wand wie die Männer guckt. Der Raum an sich war aber lange nicht „groß und geschmückt“. Im Anschluss sind wir auf die Kuppel gegangen. Ich fand’s super schön, Mama hat trotz ihrer Höhenangst mitgemacht und super Bilder geschossen.

Aufregend war’s auch, weil sich der Terroranschlag im Herzen Tel-Avivs ereignete. Mama und ich sind durch das Chaos von Sicherheits- und Feuerwehrfahrzeugen mit dem Bus nach Haus gefahren. Da wussten wir noch nicht was los war. Als wir zuhause waren, nur 20 Minuten nach dem Anschlag, habe ich die schrecklichen Nachrichten gesehen. Mama und ich waren sicher, aber Freunde waren in Tel-aviv unterwegs und der Terrorist noch auf freiem Fuß. Zum Glück ist für uns alles gut gegangen. Am nächsten morgen habe ich Schüsse gehört, bin wieder eingeschlafen und habe am nächsten Morgen direkt die Nachrichten gecheckt: Dizengoff Terrorist in Jaffa (mein Wohnort) gefunden und erschossen.

Das letzte und dieses Update waren zeitlich genau in der Terror“Welle“. Ich habe über die Anschläge bis jetzt nicht geschrieben, weil sie nicht direkt in meiner Nähe waren. Natürlich hat diese Situation was mit meinem Sicherheitsgefühl gemacht, aber ich leben in Jaffa, dort wo noch „viele“ Palästinenser:innen leben. Dort würde wohl kaum ein Palästinenser einen Abschlag verüben. Auch wenn der Terror deutlich näher gekommen ist, hatte ich die ganzen Toten im Kopf, die über meine Zeit hier schon gestorben sind. Damit, dass diese Gewalt hier herrscht, hatte ich mich also schon „abgefunden“.

Das Update geht schon ne Weile, aber eine spannende Sache muss ich noch erzählen. Nachdem Mama heile Zuhause angekommen war, stand hier Pessach vor der Tür. Sonst erkläre ich die unterschiedlichen Feiertage ja gerne, das spare ich mir jetzt aber, denn Pessach/Pass over kennen die Meisten. Zu Beginn von Pessach findet der Sederabend statt. Pessach und der Sederabend sind mit die wichtigsten Feiertage im Judentum. Kati und ich sind zu einem jüdisch orthodoxen Teil ihrer Familie gefahren. Ihre Tante und deren Mann kommen aus den USA und sprechen deshalb English zuhause. Es ist sehr verbreitet, Blumen zu Pessach zu verschenken. Daher haben wir auch einen riesigen bunten Strauch mitgebracht. Zusammen mit dem Ehepaar, dessen 3 Söhnen und zwei weiteren orthodoxen Personen haben wir die Bräuche des Sederabends gelebt. Jedes Detail kann ich hier nicht schreiben, denn sicher ist, dass es viele Schritte gibt und das Ganze sehr lange dauert. Die Haggadah beschreibt die einzelnen Schritte, man liest sie vollständig. Häufig wird gesungen, gebetet und passend zu der Geschichte des Auszugs Speisen gegessen, die das Leid beschreiben: Salzwasser für die Tränen, Sellerie für die bittere Zeit, … Außerdem wird über Pessach nur Matza gegessen. Das sind ungesäuerte „Cracker“. Gläubige Juden und Jüdinnen dürfen über Pessach nichts gesäuertes essen oder sehen (abgeklebte Regale im Supermarkt). Ein wichtiger Bestandteil des Sederabends ist die jüdische Erziehung der Kinder. Kinder, die clevere Fragen stellen oder bestimmte Texte kennen, bekommen eine kleine Belohnung. Die Geschichte des Auszugs aus Ägypten und die Bräuche sollen zeigen, welches Leid die Juden als Juden überwunden haben, wie gut es ist ein Jude zu sein und dies niemals abzulegen. Der Abend war sehr lang, da der Vater alles auf Hebräisch UND English gemacht hat. Das war natürlich super für uns, wir haben alles verstanden. Der Abend ging bis 1:00, danach sind alle schnell nach Hause und in ihre Betten :) *Von dem Abend gibt es natürlich keine Fotos. Viele gläubige Juden nutzen keine Elektrizität an Shabbat und an Feiertagen.*

Wie immer hoffe ich, dass es Euch gut geht und ihr meine Updates genauso genießen könnt wie ich es genieße, die zu schreiben.

Haltet die Ohren steif!

Viele Grüße aus dem sonnigen Tel-Aviv-Jaffa, Anna